Den Vorkurs machen
Publiziert in: Zeichen nach vorn, Festschrift Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich,
Hrsg. Hans-Peter Schwarz, Zürich 2003
Hat der Vorkurs überhaupt eine Geschichte, die man anlässlich seines Jubiläums erzählen könnte? Ist er nicht vielmehr so geblieben, wie er immer war, und das zu Recht, weil sich ja an den Problemen der visuellen Gestaltung im Kern nichts verändert hat? Könnte es sein, dass die Grundlage kreativen Schaffens unbewegt bleibt und sich als menschliches Vermögen jeder forcierten Entwicklung entzieht? – Solche Grundannahmen stehen heute, sofern sie nicht schon demontiert worden sind, unter besonderem Verdacht. Selbst wenn man geneigt ist, die Frage dennoch zu bejahen, wird damit keineswegs bezweifelt, dass sich im Vorkurs vieles gewandelt hat, ja aus den verfügbaren Quellen gewinnt man gar den Eindruck: sich stetig wandle. Mittel und Medien werden laufend den neuen Gegebenheiten angepasst, genauso wie die Struktur des Unterrichts. Zudem änderte sich dessen inhaltliche Ausrichtung in jüngster Vergangenheit entscheidend und mit ihr die Rolle der Lehrenden. All dies geschieht, um den neuen Anforderungen der Hochschule gerecht zu werden und den Studierenden den Zugang zu einem Diplomstudium zu ermöglichen. Dem grossen «Sog der Stilgeschichte» unterliegen nicht nur die Formfindungen einer Zeit, sondern ebenso Theorien der Gestaltung und Kunst. Mithin also die Auffassung, dass guter Gestaltung sowie der dahin führenden Ausbildung etwas Zeitloses eignet. Und diese «exakte Lehre der Gestaltungselemente und ihrer Aufbaugesetze» gilt es, den Studierenden des Vorkurses nach wie vor zu vermitteln. Die Annahme einer solchen gestalterischen Grundlehre gewinnt in Zeiten beschleunigten Wandels eine besondere Bedeutung: als ideologischer Widerstand gegen mögliche Neuerungen zum einen, hinsichtlich der Halbwertszeit eines Wissens, das längerfristig zur Gestaltung befähigen soll zum andern.