Ortsbilder auf Reisen
Architektur in Bündner Ansichtskarten
Publiziert in: Ansichtssache. 150 Jahre Architekturfotografie in Graubünden, Stephan Kunz und Köbi Gantenbein (Hrsg.), Bündner Kunstmuseum Chur/Scheidegger & Spiess Zürich, 2013
Selbst wenn sie noch da und dort an eine Kühlschranktür geklemmt sind, im Grossraumbüro an der Pinwand stecken oder beim italienischen Coiffeur hinter dem Spiegelrand, die Zeit der Ansichtskarte ist längst vorbei. Früher wurde sie in viel grösseren Mengen beschrieben und verschickt, geniesst aber auch heute noch eine gewisse Selbstverständlichkeit. Man sorgt sich nicht um eine bedrohte Alltagskultur, doch gelegentlich kann man der Beschriftung entnehmen, dass ihre Zusendung mit einem Augenzwinkern geschah, der Absender sich absichtlich einer Plattitüde bediente: «Mit sonnigen Grüssen aus dem herrlichen Gersau», mit Bedacht eben jene Karte im Ständer wählte, die bereits seit den 1970ern im Sortiment gewesen sein muss. Eine Vertrautheit, die auf die mehr als hundertjährige Geschichte dieses ersten illustrierten Massenmediums verweist, wenn auch die astronomischen Umsatzzahlen um die Jahrhundertwende – 1902 wurden allein in der Schweiz 22 Millionen Ansichtspostkarten aufgegeben, 8 Millionen aus eigener Produktion, 14 Millionen aus dem Import – nicht allen geläufig sein dürften.